Zu den Blogbeiträgen Juli/August

 

Thema des Monats: Eigene Stärken sehen, schätzen und stärken

Vielen von uns fällt Selbstkritik leichter als uns selbst zu loben. Auch von anderen umfassend gelobt zu werden, führt häufig dazu, die Hände vor das Gesicht zu halten und darum zu bitten, dass die Lobhudelei aufhört. Insgesamt leben wir in einer Gesellschaft in der Eigenlob stinken soll. Das führt dazu, dass ein Bewusstsein eigener positiver Möglichkeiten schwach ausgeprägt ist. Der den Schwaben zugeordnete Spruch über Lob lautet: „Ned geschompfa isch globt genuag:“ Das soll heißen, das ein ausreichendes Lob schon erfolgt sei, wenn nicht geschimpft würde. Auch mit Loben wird im Ländle also fleißig gespart. Vielleicht spart man dabei am falschen Ende.

  1. Übung: Lob in der Kindheit. Wurden Sie in Ihrer Kindheit gelobt? Wofür wurden Sie gelobt? Wie wurden Sie gelobt? Von wem wurden Sie gelobt? Welche Auswirkungen hatte diese Lobkultur in Ihrer Familie auf den eigenen Umgang mit Fähigkeiten, Erfolgen und Selbstlob heute? Welche Sätze Ihrer Erziehungspersonen bezogen auf Ihre Stärken und positiven Fähigkeiten sind Ihnen heute noch bewusst? Wie sind diese heute noch wirksam? Sind sie hilfreich bei dem Entfalten ihrer Stärken? Wenn nicht formulieren Sie diese Sätze so um, dass Ihre Potentiale sich entfalten können. Merken Sie sich diese Sätze, sie sollen Antreiber dabei sein, Ihre Stärken zu sehen und zu nutzen. Bitte diese Sätze notieren.

    Eigenlob stinkt nicht, sondern stimmt häufig. Darum sollte man sich trennen von dem sparsamen Umgang mit Lob, was andere und sich selbst angeht. Loben führt im Kontakt mit anderen zu einem besseren Beziehungsklima und zu einer Verbesserung der Beziehungen, ob privat oder beruflich. Wer lobt bekommt auch häufiger Lob zurück. Wenn ich mich lange um etwas bemüht habe und es gelingt, sollte das Loben in Beziehung zum Aufwand stehen d. h. der Zettel „Deine Note in der Prüfung war klasse“ sollte lange am Kühlschrank hängen und mich immer wieder an den mühsam errungenen Erfolg erinnern. Das ermutigt dazu, auch neue Herausforderungen anzunehmen. Letztlich sollte jedem bewusst sein, was er gut kann und wo persönliche Grenzen liegen, um eine realistische Selbsteinschätzung zu bekommen. Nichts und Keiner ist universell unschlagbar, aber jeder hat spezielle Fähigkeiten.
  2. Übung: Was kann ich gut?Bitte denken Sie an das, was Ihnen leicht fällt, was Ihnen Freude macht und was sie gerne als Kind gemacht haben. Schreiben Sie dann 4 Ihrer besonderen Stärken auf. Malen Sie einen Kreis und teilen diesen entsprechend der Ausprägung dieser Stärken in Kreissegmente auf. So entstehen unterschiedlich große „Kuchenstücke“ entsprechend Ihrer wichtigsten Fähigkeiten, die sie bitte in hier hineinschreiben. Fragen Sie dann nach Möglichkeit eine Bezugsperson nach der Fremdeinschätzung: Was halten Andere für Ihre größten Stärken? Lassen Sie sich zusätzlich Symbole für ihre Stärken einfallen z. B. einen Marathonläufer für die Stärke Ausdauer oder für die Stärke Neugier vielleicht ein Erdmännchen (gerade so wie das für Sie passt). Drucken Sie sich aus dem Internet Fotos aus, die diese Symbole zeigen. Nehmen Sie die Fotos als Bildschirmschoner oder drucken sie sie aus und plazieren sie in Ihrer Wohnung so, dass Sie immer wieder an Ihre Stärken erinnert werden.
  1. Übung: Stärken stärken? Stärken sollten genutzt werden und nicht unter den Scheffel gestellt werden. Deswegen ist die Frage bedeutsam, wie sie intensiver genutzt werden können. Das betrifft Zuhause, Beruf und Freizeit. Bitte notieren Sie wie Ihre Stärken in den verschiedenen Bereichen besser genutzt werden könnten. Was bedeutet das konkret? Was möchten Sie anders machen um diesen Stärken stärker gerecht zu werden?
  2. Der amerikanische Psychologe Christopher Peterson entwickelte - nach umfangreichen Vorarbeiten bei denen mehr als 50 Wissenschaftler mitarbeiteten - ein Messverfahren, um kulturübergreifend zu erfassen, was als menschliche Stärken und Werte betrachtet werden. Diese Charakterstärken sind solche, die als erfüllend erlebt werden und zur Zufriedenheit beitragen. Erfasst werden Werte, die moralisch wertvoll sind und andere nicht herabsetzten. Sie sind messbar und in ihrer Entwicklung förderbar. Mit Ihnen werden Elemente positiver menschlicher Entwicklung beschrieben. Der aus den Vorarbeiten entwickelte Test nennt sich Values in Action (VIA). Die mit ihm erfassten Werte zeichnen sich zusätzlich dadurch aus, dass sie eine praktische Umsetzung erfordern, d. h. nicht nur theoretisch benannt werden sollen, sondern grundsätzlich zu positiven Aktionen führen können.
    Die Stärken lassen sich in 6 Bereiche kategorisieren und zwar:
    • Weisheit und Wissen
    • Mut
    • Humanität
    • Gerechtigkeit
    • Mäßigung
    • Transzendenz
    Zu diesen benannten Tugenden gehören insgesamt 24 Stärken, die sich wie folgt verteilen. Zu Weisheit und Wissen gehören: Kreativität, Neugier, Liebe zum Lernen, Aufgeschlossenheit, Weisheit. Zu Mut gehören: Authentizität, Tapferkeit, Lebenskraft, Ausdauer. Zu Humanität gehören: Freundlichkeit, Bindungsfähigkeit, soziale Intelligenz. Zu Gerechtigkeit gehören: Fairness, Führungsvermögen, Teamfähigkeit. Zu Mäßigung gehören: Vergebungsbereitschaft, Bescheidenheit, Umsicht, Selbstregulation.
  1. Übung: Lieblingsstärken. Welche der benannten Stärken würden Sie gerne in Ihrem Leben stärker fördern? Warum? Was könnte die Bereicherung sein? Was wäre ein erster Schritt diesen Stärken mehr Raum zu geben.
  2. Tipp: eine hervorragende Möglichkeit zu einer guten Selbsteinschätzung des Inventars persönlicher Stärken zu kommen ist kostenlos über die Internetseite der Universität Zürich gegeben. Adresse: www.charakterstaerken.org. Dort ist der VIA-Test ausfüllbar und er wird automatisch ausgewertet. Man erhält kostenlos eine ausführliche Darstellung besagter Stärken, ihrer Rangreihe und Ausprägung. Mit dem Ergebnis kann gut reflektiert werden, wie aktuell welche Stärken in welchem Maße gelebt werden.

Gedanken zur Sucht: Das Suchtgedächtnis

Ich habe vor Jahren einmal unter dem Titel „. . . und täglich grüßt das Suchtgedächtnis“ einen Artikel geschrieben, der wie kein anderer Artikel von mir häufig im Internet verbreitet wurde (z. B. zu finden unter www.a-connect.de und besagtem Titel). Die Verbreitung spricht dafür, dass das Thema Suchtgedächtnis vor allem in der Suchtselbsthilfe von Interesse ist.

Wie das meiste andere, was wir erleben hinterlässt das Suchtgeschehen eine Gedächtnisspur.

Das Suchtgedächtnis unterscheidet sich jedoch von anderen Gedächtnisinhalten. Seine Inhalte sind besonders intensiv repräsentiert, da der langfristige Suchtmittelkonsum den Neurotransmitterstoffwechsel verändert. Damit gräbt sich die Erinnerung an den Effekt des Konsums besonders stark ein. Sie lässt sich nicht löschen, bleibt aktiv und ist leicht aktivierbar z. B. durch Gerüche oder optische Reize. Zudem zeichnen sich Inhalte des Suchtgedächtnisses dadurch aus, dass sie einseitig verzerrt sind. Häufig drängen sich überwiegend oder vollständig die positiven Aspekte der Sucht (Entspannung, Rausch, Stressreduktion etc.) in den Vordergrund und haben einen verführerischen Charakter, der dadurch zum Rückfall beitragen kann.

Wenn man darauf vorbereitet ist, das die Erinnerungen an die Sucht oft verzerrt sind, lässt man sich durch sie nicht mehr so schnell ins Bockshorn jagen. Wenn das Suchtgedächtnis auch nicht zu löschen ist, so ist es doch hilfreich seine Art der Erinnerung mit den mittel- und langfristigen Folgen der Abhängigkeit und damit dem tatsächlichen Geschehen zu Ende zu erinnern. Die „Grüße aus dem Suchtgedächtnis“ sind ein guter Grund für eine besondere Wachsamkeit.


Virtueller Glückskeks

Im Nachhinein betrachtet besteht das Glück manchmal auch darin, dass man im richtigen Moment wieder aufgestanden ist und nicht aufgegeben hat. Das Leben besteht aus Höhen und Tiefen, mal mehr mal weniger von Beidem und in schwer vorhersehbarer Mischung. Bei Tiefen ist die besondere Stärke gefragt mutig zu sein, Tapferkeit und Ausdauer zu zeigen. Davon handelt ein Song der Toten Hosen:

Steh auf, wenn Du am Boden bist

Wenn Du mit Dir am Ende bist
Und Du einfach nicht weiter willst
Weil Du Dich nur noch fragst
Warum und wozu und was Dein Leben noch bringen soll
Halt durch, auch wenn Du allein bist
Halt durch, schmeiß jetzt nicht alles hin
Halt durch, und irgendwann wirst Du verstehen
Dass es jedem einmal so geht
Und wenn ein Sturm Dich in die Knie zwingt
Halt Dein Gesicht einfach gegen den Wind
Egal, wie dunkel die Wolken über Dir sind
Sie werden irgendwann vorüberziehen

Steh auf, wenn Du am Boden bist
Steh auf, wenn Du unten liegst
Steh auf, es wird schon irgendwie weitergehen

Es ist schwer, seinen Weg nicht zu verlieren
Und bei den Regeln und Gesetzen hier
Ohne Verrat ein Leben zu führen
Das man selber noch respektiert
Auch wenn die Zeichen gerade alle gegen Dich stehen
Und niemand auf Dich wetten will
Du brauchst hier keinem irgendeinen Beweis zu bringen
Es sei denn es ist für Dich selbst

Steh auf, wenn Du am Boden bist
Steh auf, wenn Du unten liegst
Steh auf, es wird schon irgendwie weitergehen

Nur keine Panik, so schlimm wird es nicht
Mehr als Deinen Kopf reißt man Dir nicht weg
Komm und sieh nach vorn
Songwriter: Andreas Frege / Andreas von Holst


Infobox

4. Hat die Corona-Krise die Lebenszufriedenheit der Deutschen verändert?

Seit 10 Jahren wird jährlich in Deutschland ein Glücksatlas erstellt. Dazu werden mehrere tausend Personen vom Institut Allensbach repräsentativ deutschlandweit befragt. Die Frage lautet: „Wie zufrieden sind Sie gegenwärtig, alles in allem, mit Ihrem Leben?“ Die Antworten werden auf einer elfstufigen Skala von 0 („überhaupt nicht zufrieden“) bis 10 („völlig zufrieden“ ) erfasst.

Während 2019 noch 48,3 % der Deutschen ihre allgemeine Lebenszufriedenheit im oberen Bereich bei 8 bis 10 Punkten einschätzten, waren dies 2020 nur noch 39,4 %. Im Vergleich zu 2019 sank die Lebenszufriedenheit 2020 von 7,14 auf 6,74 Punkte. Seit Erscheinen der ersten deutschen Untersuchung dieser Art brach das Zufriedenheitsniveau nie so stark ein.

Dies ist ein Hinweis darauf, dass auch nach dem Abflauen der Pandemie ein Arbeiten an der persönlichen Lebenszufriedenheit wichtig ist. Dazu soll dieser Blog beitragen, z. B. auch die nachfolgende Rubrik zum Thema Hoffnung.

Die Hälfte der für den Glücksatlas befragten Personen war der Überzeugung, dass Covid-19 den Zusammenhalte der Bevölkerung gestärkt hätte. Dies ist besonders wünschenswert und bedarf der Förderung, da Vereinsamung eine der schlimmsten Begleitumstände der Pandemie ist.

Gleichzeitig ist damit zu rechnen, dass sich hinter den Zahlen auch eine gestiegene Zahl psychischer Probleme versteckt, die sich durch die Corona-Krise intensiviert haben. Hier ist das Aufsuchen professioneller Hilfe anzuraten.


Forsetzungsrubik 2021

Mehr positive Gefühle ins Leben bringen - Hoffnung

„Es gibt Berge über die man hinüber muss, sonst geht der Weg nicht weiter“ sagt Ludwig Thoma. Hoffnung hilft uns dabei, dass wir den Weg weiter gehen und trägt uns durch schwere Zeiten. Sie ist eine nach vorne gerichtete positive Energie, eine Zuversicht ohne die wir viele Dinge gar nicht durchhalten und zu Ende bringen würden. Wir brauchen sie dringend, aber wir unterscheiden uns darin, wie sehr wir sie entwickelt haben. In vielen schwierigen Situationen ist es notwendig sie zu fördern. Ihren Gegenspieler kennen wir auch, es ist die Hoffnungslosigkeit. Sie parkt oft genau neben der Hoffnung. Hilfreich ist es nach einer Zeit der Lähmung und des Erkennens eines Feststeckens in der Hoffnungslosigkeit wieder zu einer Handlungsfähigkeit zu finden.

Snyder (2002) hat sich intensiv mit Hoffnung beschäftigt und die Hope-Theory entwickelt. Sie beinhaltet 3 Komponenten: Ziele, Wege und die Fähigkeit zu handeln.

Ziele, am besten Annäherungsziele, beschreiben einen Ort außerhalb der Problematik. Es gilt sich also wieder Ziele zu setzen, die aus dem Dilemma herausführen. Oft ist es dabei wichtig, klare Teilziele (Trittsteine) in den Blick zu nehmen. Also nicht ich will wieder gesund werden, sondern ich will die Operation oder die Reha bewältigen, oder einfach nur diesen einen Tag überstehen.

Wege(pathways) zu diesen Zielen sollten kreativ gefunden werden. Oft braucht man dabei den Rat von Freunden, Fachleuten oder von Mitbetroffenen, wie z. B. der Weg zum Bestehen einer bestimmten Prüfung aussehen kann. Diese Wege sollten ähnlich einer Landkarte vorstellbar sein. Hilfreich ist es den Weg zu visualisieren ,d. h. wie einen Film vor dem geistigen Auge ablaufen zu lassen oder wie eine Wegbeschreibung zu zeichnen. Dabei wird ein Ausweg aus einer hoffnungslosen Situation vorstellbar.

Handlungsfähigkeit(agency) beinhaltet eine Entschlossenheit und ein Gefühl der eigenen Wirksamkeit bei der Zielverfolgung. Grundhaltung ist die Überzeugung, dass Dinge sich ändern können, egal wie schwierig die augenblickliche Situation auch ist. Sie ist eine optimistische Erwartung, mit dem geplanten Weg das Ziel zu erreichen und sich nicht durch Unwägbarkeiten davon abhalten zu lassen. „Ich kann das und bin entschlossen es zu erreichen.“ Vielleicht hilft auch der augenzwinkernde Satz von Oscar Wilde:„Am Ende wird alles gut werden und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende.“

  • Übung: Wie ausgeprägt ist Ihre Fähigkeit zu hoffen? In welchen Situationen in der Vergangenheit haben Sie Ziele, Wege und Handlungsfähigkeit entwickelt, um sich aus einer Krisensituation heraus zu kämpfen? Welcher Satz beschreibt das am besten? Machen Sie diesen Satz zu einem ihrer Leitsätze. Z. B. „Ich bin mir wichtig und gebe nicht schnell auf!“
  • Übung: Martin Luther soll gesagt haben: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen.“ Was würden Sie machen?

Grundsätzlich kann man auch Situationen, mit wenig Grund zur Hoffnung umdeuten, etwa gemäß dem Brechtzitat: „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren.“ Ähnliche Einstellungen lauten: „Auch das geht vorüber“ bzw. „Erwarte alles – auch das Positive.“ Jedenfalls tut es gut, die Zukunft realistisch zu sehen verbunden mit einer Prise Optimismus, die Platz lässt für einen etwas besseren Ausgang, als man im Moment erwarten kann. Wenn ich in einer Situation garkeinen Erfolg erwarte werde ich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch keinen haben. Wenn ich jedoch z. B. bei der Medikamenteneinnahme erwarte, dass das Medikament mir hilft, nutze ich den Placeboeffekt bzw. meine Selbstheilungskräfte und kann bessere Erfolge erzielen.

Aufgabe: Welches Ziel ist Ihnen wichtig zu erreichen? Stellen Sie sich die Zielerreichung für 3 Minuten vor, dreidimensional und in Farbe. Diese Vorstellung wird Energie zur Erreichung des Ziels (auch gegen widrige Umstände) hervorbringen und es leichter machen, Ihr Ziel zu erreichen.

Genießen Sie den Sommer. Ihr und Euer Dr. Arnulf Vosshagen

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